Sex im Alter – geht das überhaupt?

Sex im Alter – geht das überhaupt?

Eigentlich wissen wir alle im tiefsten Innersten: Männern ist so schnell nichts peinlich. Ob beim Verhandeln in der Nobelboutique, um noch ein paar Euros gut zu machen, während die weibliche Begleitung bereits vor Scham in Grund und Boden versinkt und dann lieber ganz auf das edle Irgendwas verzichten würde oder ob die Herren sich trotz deutlichen Hüftspecks und Bauches bedenkenlos am Strand entkleiden, während die Damen sich schamvoll in Pareos hüllen. Männer schämen sich in den meisten Fällen weder für sich selbst, noch schämen sie sich fremd, ausser die Geliebte macht auf offener Straße eine Szene. Und etwas anderes macht ihnen ebenfalls schwer zu schaffen: Versagen. Für eine Mehrzahl der Damen auch keine leichte Übung, für Männer aber der Weltuntergang und ein nahezu nicht gangbarer Weg. Aber ist Sex nun wirklich so wichtig? Ist er einem langen Leben eher förderlich oder sollten wir uns lieber in Enthaltsamkeit üben? Fragen über Fragen. Dann tauchen wir doch mal ein, in diese derart diffuse und gleichzeitig äusserst zelebrierte Welt! Die Peinlichkeit der Peinlichkeiten: Erektionsstörungen. Wohl eines der letzten waschechten Tabuthemen der Welt. Dabei trifft es, will man Statistiken glauben, nahezu ein Drittel aller Männer, männlich oder unmännlich, vor allem mit zunehmendem Alter und somit ab circa 40 Jahren. Natürlich gibt es die unterschiedlichsten Gründe für Erektionssstörungen. Durchzechte Nächte mit Alkohol oder gar Drogeneinfluss zum Beispiel, sind nicht unbedingt förderlich. Auch nicht in jungen Jahren. Und nicht jedes "mal-nicht-Können" ist sofort ein behandlungsbedürftiges Problem. Dennoch sollte man, wenn sich das "Nicht-Können" häuft, lieber früher als später den geeigneten Arzt aufsuchen. Lange, bevor sich aus dem Versagen ein massives Problem formt.

Wir haben uns mit dem "Langlebigkeitspapst" PD Dr. Dr. med. Dominik Duscher und der "Hormonpäpstin" Prof. Dr. med. Elke Seebach zusammengesetzt, um das brisante Thema näher zu beleuchten und gegebenenfalls sogar Abhilfe schaffen zu können.

Und gleich an Prof. Dr. med. Elke Seebach die erste Frage, was denn nun nötig sei, um im Alter noch ausreichend Sex haben zu können?
Dazu sind zwei Dinge nötig: erstens eine super Durchblutung, wenn die nicht funktioniert, geht nichts durch, dann wird das nichts – und zweitens Hormone. Ohne diese keine Libido, kein Antrieb, kein Interesse. Es braucht also Testosteron. Ein ausreichend hoher Testosteronspiegel ist neuen Forschungserkenntnissen zufolge, mit eine Grundvoraussetzung für eine Erektion zum rechten Zeitpunkt. Zum Beispiel durch ein Erschöpfungssyndrom oder durch Burnoutvorstufen kann aber im Körper zu wenig Progesteron und/oder zu wenig Testosteron oder auch ein Östrogenüberschuss gegeben sein. Ebenfalls durch Fettleibigkeit besteht meist ein Östrogenüberschuss, denn Fettzellen produzieren Östrogen. In allen Fällen kann es dadurch zu erektiler Dysfunktion kommen. Hier kann durch gezielte Hormongaben entgegen gewirkt werden.

Das war es schon? Es braucht Testosteron?
Im Prinzip, ja. Aber gerade bei Blutdrucksenkern und Antidepressiva sind Erektionssstörungen eine bekannte Begleiterscheinung. Die häufigste Ursache sind jedoch Durchblutungsstörungen. Sie können klassisch mit Viagra behandelt werden, dadurch werden die Blutgefäße dieser delikaten Regionen erweitert. Aber Viagra kann auch immer zu Bluthochdruck führen oder Herzprobleme verursachen. Es empfiehlt sich, hier immer einen Arzt zu Rate zu ziehen. Harmloser ist es hier, auf das "Viagra für Arme" zurückzugreifen, die Aminosäure L-Arginin. Ab der Dosierung von drei Gramm, die auf einmal eingenommen werden müssen, tritt auch hier diese reflektorische Gefäßerweiterung ein. Zwar in etwas reduzierter Version, dafür aber nahezu ohne Nebenwirkungen. Obwohl man auch hier einen leichten Blutdruckabfall haben kann, was aber selten ist. Auch gibt es ein toxisches Eiweiß, das "Homocystein", das sich in kleinen Blutgefäßen ablagern kann. Und zwar im Gehirn, in den kleinen Herzkranzgefäßen, aber natürlich auch im Penis. Homo-cystein bildet sich bei einem Mangel von B6, B12 und Folsäure, Stoffe, die bei Stress stark verbraucht werden. Um dem Homocystein entgegen zu wirken, müssen B6, B12 und Folsäure eingenommen werden. Durch eine Verkalkung der kleinsten Gefäße in der Penisregion kann übrigens auch oftmals auf eine Verkalkung der Herzkranzgefäße oder im Gehirn geschlossen werden, denn der Körper verkalkt nie an nur einer Stelle.

Frau Dr. Seebach, Sie sind ja immer ein Fan davon in Sachen Hormongaben alles "naturidentisch" zu bewerkstelligen und nicht mit synthetischen Produkten zu arbeiten, warum?
Es gibt unterschiedliche Moleküle. Die synthetischen Moleküle werden von der Pharmaindustrie hergestellt und haben ein anderes Molekül als die unseres Körpers. Dann gibt es die naturidentischen, diese werden aus Soja hergestellt oder aus der Yamswurzel, die dann das Grundmolekül liefern und das Endergebnis ist das identische Molekül, wie in unserem Körper. Und so verhalten sie sich dann auch, das heißt: die synthetischen haben mehr Nebenwirkungen, die naturidentischen haben nur Wirkungen.

Jetzt sprechen wir die ganze Zeit über Männer, was ist denn nun mit den Damen? Können diese im Alter ganz normal Sex haben? Es ist jetzt zum Beispiel sehr modern geworden Sexspielzeuge zu verwenden, um auch alleine, in kürzester Zeit, Orgasmen hervorzurufen zu können. Das mag bei jungen Damen ganz wunderbar funktionieren aber wie ist das, wenn man ein bisschen fortgeschritten ist, im Alter?
Da funktioniert das auch, aber bei der Frau ist es nicht nur das Testosteron, das hier stimmen muss, sondern man braucht eine richtige Mischung aus Östrogen, Progesteron und Testosteron. Das sind unsere drei großen Hormone. Diese muss man in der richtigen Mischung treffen. Das ist manchmal nicht ganz leicht, diese zu rekonstruieren, wenn alles bisschen niedrig geworden ist, aber es ist zu schaffen.

Was passiert denn, wenn der Hormonspiegel zu niedrig geworden ist und ich zwinge den Körper in einen Orgasmus hinein?
Ich denke, das funktioniert gar nicht.

Und wenn es nun doch ginge, provozierte man dann einen Burnout?
Ja, es könnte sich in diese Richtung bewegen.

Das heißt, ich muss vorher Hormone zuführen. Wie lange im Vorfeld?
Das kommt darauf an, wie weit unten wir anfangen. Im Prinzip werden die Hormone, wenn man es richtig macht, sehr schnell aufgenommen und sie wirken auch sehr schnell. Das funktioniert also nicht wie bei einer Viagra, die man eine Stunde vorher einwirft. Man braucht schon einen Monat oder mindestens einen halben Monat vorher die richtige Einstellung der Hormone, damit es überhaupt in die richtige Richtung geht.

Herr Dr. Duscher: Sie proklamieren ja die Langlebigkeit und werden als Langlebigkeitpast bezeichnet, haben auch ein großes Longevity Center in München. Da kommen natürlich sehr viele, auch prominente Kunden, zu Ihnen. Kommen diese überhaupt mit so einem Thema auf Sie zu oder geht es da vornehmlich nur um Langlebigkeit?
Grundsätzlich habe ich Kunden in allen Altersklassen. Keine 20-jährigen typischerweise, aber Mitte 30 bis open end. Es geht natürlich grundsätzlich um die Langlebigkeit, um das gesunde, lange, gute Leben, aber auch um Themen wie Leistungssteigerung, die kognitive Funktion, die Gesundheit des Geistes, Konzentration und solche Dinge, also nicht nur um das lange Leben, das ja ein Resultat aus den anderen Dingen ist. Wenn ich zum Beispiel als 40-jähriger optimal im Longivity Regime eingestellt werde, dann habe ich meinen Performance Benefit sofort und hinten raus natürlich auch Vorteile in der Langlebigkeit.

Aber zu einem schönen langen Leben gehört doch Sex vielleicht auch dazu, damit beschäftigen Sie sich aber nicht?
Das ist typischerweise nicht das erste Thema, das bei mir angesprochen wird, aber in der Zusammenschau der Dinge kommt es durchaus immer wieder mal zur Sprache. Das Mindset an sich ist ein ganz wichtiger Faktor in der gesunden Langlebigkeit, das heißt, wenn wir nicht gut kalibriert sind geistig, wissen wir, das schlägt sich nieder auf die Morbidität, die Mortalität also auch auf die Erkrankungswahrscheinlichkeit und Sterbewahrscheinlichkeit eines Menschen. Es ist klar, da gehört auch ein Sexualleben dazu und wir wissen auch aus der Wissenschaft, dass zwei Orgasmen pro Woche die Herztod-Wahrscheinlichkeit eines Mannes um die 50 Jahre ungefähr halbieren. Es ist also schon, würde ich sagen, hochrelevant für die Langlebigkeit. Und es ist als Thema wichtiger für die Langlebigkeit, als viele denken. Die meisten denken sofort an die Psyche. Wenn wir als Menschen, die ja soziale Lebewesen sind, keine Zweisamkeit erleben, werden wir auf Dauer Schaden nehmen. Aber es ist eben auch viel mehr als das. Es hat wirklich körperliche Auswirkungen – das Immunsystem ist hier ein ganz starker Punkt, wir haben eine viel bessere Abwehr gegen Erreger. Die kardiovaskuläre Situation beim Mann kann mit zwei Orgasmen pro Woche deutlich verbessert werden. Es gibt viele Dinge, die sich da niederschlagen, wie auch die Herzfrequenz oder der Blutdruck, es ist mannigfaltig, wieviele Benefits wir da herausziehen kön-nen, bis ins hohe Alter und es gibt Voraussetzungen, wie Frau Dr. Seebach schon angemerkt hat, die das möglich machen. Und diese Parameter muss man ernsthaft verfolgen, das gehört eindeutig zur Gesundheitsvorsorge dazu.

Sie empfehlen im Langlebigkeitsprogramm zum Beispiel auch die Einnahme des Pregnenolon, des sogenannten Urhormons.
Ich bin ja eher von der Art und Weise, wie ich die Behandlungen organisiere, sehr in der Zelle unterwegs, ich habe ja meinen Schwerpunkt auf die Zellbiologie gesetzt, und kümmere mich sehr stark um die intrazellulären Signalwege, das heißt, wie die Zellen in sich selbst funktionieren. Und die Hormone sind mehr übergeordnet, wie die Kommunikationswege der verschiedenen Organsysteme zueinander, das kann man vielleicht so verallgemeinern. Und in den Regelkreis der Hormone einzugreifen, erfordert ein besonders starkes Fingerspitzengefühl, ein besonderes Vorgehen und natürlich auch viel Expertise. Und wenn ein Hormonthema sich abzeichnet, bei einem Patienten, dann versuche ich erst einmal ein Vorstufenhormon wie Pregnenolon oder DHEA der Zelle zur Verfügung zu stellen, wo dann die Zelle auswählen kann, was für ein Endstufenhormon sie daraus erzeugt. Kurz: Ich gebe einen Baustein und der Körper entscheidet selbst, was er damit tut.

Damit gehen Sie konform, Frau Dr. Seebach?
Ja, damit gehe ich konform. Ich würde es nur nochmals nachmessen. Wir machen also vorher einen Laborstatus, geben dann das Pregnenolon und machen später nochmal wieder einen Laborstatus und wollen dann natürlich auch sehen, dass die richtigen Hormone ansteigen. Das Ganze wird gesteuert durch unterschiedliche Enzyme, diese sind genetisch festgelegt. Kann sein, dass es alleine mit dem Pregnenolon nicht ganz gelingt. Es geht hier mehr um das Gelingen. Manchmal brauchen wir dann einfach das Endhormon, wir wollen ja zum Beispiel einen Anstieg des Testosterons beim Mann erwirken. Das Ganze ist wirklich individuell und muss ganz individuell gesteuert werden.

Unser Fazit: Bei erektiler Dysfunktion leidet logischerweise die natürliche Einstellung zum intimen Miteinander. Und nach einem erstmaligen Erektionsproblem wird der Mann möglicherweise bereits erwarten, dass es das nächste Mal auch wieder nicht klappen könnte. Zwangsläufig wird so die Aufmerksamkeit vom Liebesspiel und der Herrlichkeit der sexuellen Stimulation auf die eigene negative Erwartungshaltung gelenkt. Und es entsteht ein Teufelskreis. Denn je stärker "Mann" es möchte, desto weniger klappt "es". Partner-schaftsprobleme durch Überforderung oder Überwältigung gehören so plötzlich zum Alltag. Wobei immer zwischen dem "Können" und "Wollen" unterschieden werden muss“. Wir sprachen schon über den Libidomangel und somit keine rechte Lust zum Sex. Ein Mangel, der hormonell oder psychisch bedingt sein kann und noch lange keine erektile Dysfunktion darstellt, wie wir gehört haben. Nur Männer mit sehr hohen Testosteronwerten brauchen übrigens selbst bei einem Libidomangel noch täglich ihren „Stressrelease". Und: Bei den Frauen heißt ein Libidomangel gerne Migräne und kann ebenso durch einen starken Progesteronmangel bedingt sein. Auch hier bringt ein Auffüllen desselben enormen Lustgewinn. Aber natürlich können Frauen nicht unter erektiler Dysfunktion leiden, unter Orgasmusstörungen selbstverständlich schon. 

 

Foto: Terry & Tomsson für PD Dr. Dr. med. Dominik Duscher, Elke Bauer, Prof. Dr. med. Elke Seebach
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