Es gibt allen Grund zur unbeschwerten Fröhlichkeit!
Bislang galt: Man ist so alt, wie es im Pass steht. Punkt. Daran änderte auch nichts, wenn man sich jünger fühlte oder noch jünger aussah als vor 20 Jahren, ganz einfach weil damals das Styling so grottenschlecht war. Es galt die Geburtsstunde, der Eintrag im Passamt, dann ging es 25 Jahre biologisch bergauf – und dann auch eigentlich schon wieder bergab. Die Genetik gibt das vor, daran lässt sich nicht rütteln. Doch, so widersprüchlich das zunächst erscheinen mag – genau das ändert sich jetzt! Denn nun hat sich ein Pionier, ein Innovator aufgemacht, die gesamte medizinische Welt auf die nächste Stufe zu heben, das Altern wieder aufzuheben und Krankheiten vermeidbar zu machen. Zwar werden die Pässe (noch) nicht neu geschrieben aber der Weg ist nun frei, für ein gesünderes, längeres, deutlich jüngeres Leben. „Langlebigkeitsmedizin“ ist sein Begriff dafür und wir sprechen von und mit Dr. Dr. med. Dominik Duscher, einer mit 35 Jahren mehr als jungen Koryphäe.
Eigentlich kommt er ja aus der plastischen Chirurgie. Doch wie das bei hochbegabten Menschen nunmal so ist – sie suchen nach immer neuen Tätigkeitsfeldern und Lösungen. So geschah es auch, dass er bereits mit zarten 25 Jahren an der Stanford University ins Forschungsteam im Bereich regenerative Medizin gerufen wurde, zur Wundheilungsforschung, Stammzellbiologie und für Zellsignalwege. Dann ging es für ihn weiter als Abteilungsleiter an die TU München und jetzt an die Uni Tübingen. Heute, 10 Jahre nach den Anfängen in Stanford, ist aus der Stammzellbiologie, über die angewandte regenerative Medizin, die Langlebigkeitsmedizin geworden. Denn er findet das Altern des Körpers beziehungsweise unserer Zellen so ganz und gar nicht annehmbar und hat vor allem Mittel und Wege gefunden, die biologische Uhr, nachweislich um bis zu 20 Jahre zurückzudrehen.
Dass Duscher bei uns noch keine Professur erhalten hat, obwohl er mit allen führenden Universitäten zusammenarbeitet und seine Vita und sein Wirken auf Wikipedia ganze Seiten an beeindruckenden Erkenntnissen füllen, ist lediglich einem Umstand geschuldet: seiner Jugend beziehungsweise akademischer Fristen. In Amerika undenkbar. Doch der, wie er inzwischen genannt wird, „Langlebigkeitspapst“, nimmt das alles mit Humor. Er hat nun in einem sensationellen Konzept die Langlebigkeitsmedizin institutionalisiert und sie so für uns alle nutzbar gemacht. Im Juni eröffnet in München sein Longevity Center Munich, das erste Zentrum für Langlebigkeitsmedizin Europas. Was hier Bahnbrechendes auf uns zukommt? Dann passen Sie mal gut auf! Denn es kann durchaus lebenswichtig für Sie werden. Drehen wir also den Tacho zurück!
Lieber Herr Dr. Duscher, fangen wir mal ganz von vorne an.
Mit 25 Jahren ins Forschungsteam nach Stanford.
Wie war das?
Ich habe dort drei Jahre im Bereich regenerative Medizin, Wundheilungsforschung, Stammzellbiologie und Zellsignalwege geforscht. Eine wirklich bedeutende Zeit in meinem Leben, denn ich war zwar schon ausgebildeter Arzt, verfügte aber über wenig Praxiserfahrung. Eigentlich war ich überhaupt noch nicht so weit, mit meinen 25 Jahren. Ich musste und durfte also sehr schnell sehr viel lernen dort. So habe ich gelernt, wie man Wissenschaft auf internationalem Spitzenniveau betreibt, etwas anderes wäre dort gar nicht möglich gewesen. Ich war also Tag und Nacht im Labor, ob nun draussen die Sonne schien oder nicht. Das war schon eine Erfahrung!
Ich war damals in meiner Abteilung der plastischen Chirurgie der jüngste Forscher. Stammzellbiologie war immer ein besonderer Schwerpunkt von mir und besonders interessant war für mich dabei die Dysfunktion der Stammzelle. Stammzellen arbeiten nämlich nicht mehr so gut, wenn sie älter sind, sie haben Probleme in der regenerativen Funktionalität. Ich erkannte das als Schlüsselelement vieler Dinge, die sich in der Folge dann daran anreihen. Wenn man also ein Stammzellendefezit hat, wird das auch viele andere Dinge negativ beeinflussen. Der Organismus ist ja ein organisiertes System und es ist klar, dass wenn die Zelle als kleinster Baustein Probleme aufwirft, das im ganzen System auch Probleme erzeugen muss. In Stanford wurde so letztendlich der Grundstein für alles gelegt, was ich heute mache.
Inzwischen sind Sie auf dem Weg zum Professor?
Ich habe meine Habilitation an der TU München zum Thema angewandte regenerative Medizin, Stammzellen und kleine Moleküle gemacht. Nach mehr als drei Jahren als Abteilungsleiter am Klinikum rechts der Isar bin ich nun an der Uni in Tübingen. Dort bin ich wieder am plastischen Lehrstuhl tätig, habe aber jetzt den Auftrag ein Programm zu gestalten, das sich mit der praktischen Umsetzung der regenerativen Medizin beschäftigt. An der TU in München war ich noch sehr stark an der Zelle unterwegs und im Grundlagenforschungsbereich und jetzt, in Tübingen, geht es mehr um die praktische Anwendung. Eine Professur wurde mir hier schon in Aussicht gestellt, vielleicht bereits für nächsten Sommer. Denn ich muss noch ein bisschen warten, ob meiner Jugend. Solche Fristen in der akademischen Laufbahn sind leider typisch hierzulande und sie wären zum Beispiel in Amerika völlig undenkbar. Ich wäre trotzdem der jüngste Professor meines Fachgebiets in ganz Europa.
Sie sagen die Stammzelle altert und das verursacht Schwierigkeiten. Jetzt tut sie das ja bei jedem Menschen. Dennoch wirft sie bei verschiedenen Menschen die unterschiedlichsten Probleme auf?
Es hat sich herauskristallisiert, dass alles rund um Genetik nicht so in Stein gemeisselt ist, wie man das lange gedacht hat. Man hatte sehr viele Vorbestimmungsgedanken in die Genetik hineingelegt. Jetzt hat man erst kürzlich in der Langlebigkeitsforschung und der regenerativen Medizin herausgefunden, dass die Genetik die Hardware ist, über der eine weitere Ebene der Software liegt, die das Genom dirigiert: die Epigenetik (epi, gr. auf, über). Sie steuert die Genexpression, ob Gene eingeschaltet werden oder nicht.
Die epigenetische Forschung räumt also auf, mit dem absoluten Dogma, dass ausschließlich die Gene unser Schicksal bestimmen. Neuste Studien zeigen, dass unsere Umwelt tatsächlich einen Einfluss auf unsere Entwicklung nimmt. Und wir die auf diese Weise gewonnenen Eigenschaften sogar an unsere Kinder und Enkel weitergeben könnten. Ist das alte, seit Darwin bekannte Evolutionsprinzip einfach über Bord zu werfen? Nein. Wenn eine Frau eine Veränderung (Mutation) im BRCA1- oder BRCA2-Gen trägt (den wichtigsten bisher bekannten sogenannten Brustkrebsgenen), dann ist die Entstehung eines Mammakarzinoms tatsächlich wahrscheinlich höher. Bei Verdacht auf familiären Brustkrebs kann ein Gentest Mutationen im BRCA1- und BRCA2-Gen nachweisen und eine prophylaktische Brustentfernung erwogen werden. Dies ist also ein konkretes Beispiel dafür, wie relevant die genetische Grundausstattung für unsere Gesundheit ist. Die Gene sind jedoch noch wesentlich komplexer reguliert, als lange angenommen.
Um die epigenetische Variation und das Zusammenspiel von Genom und Umwelt eindrucksvoll darzustellen, eignet sich eine Honigbienenkolonie hervorragend. Obwohl in der genetischen Sequenz identisch, unterscheiden sich Bienenköniginnen und Arbeiterbienen in Bezug auf Verhalten, Physiologie und Aussehen völlig. Es gibt viele phänotypische Unterschiede zwischen Bienenköniginnen und Arbeiterbienen. So können Bienenköniginnen beispielsweise an einem Tag bis zu 2000 Eier produzieren, während Arbeiterbienen unfruchtbar sind. Letztere verbringen ihre Tage damit, nach Nahrung zu suchen, Pollen zu sammeln, den Bienenstock zu pflegen und Eindringlinge abzuwehren, während Bienenköniginnen sich Nahrung liefern lassen und Eier legen, um den Bienenstock mit genügend Arbeitern zu bevölkern. Bienenköniginnen sind fünfmal größer als Arbeiterbienen. Es überrascht also nicht, dass die Lebensdauer von Bienenköniginnen in der Regel 20-mal länger ist, als die von Arbeiterbienen. Daran sieht man auch, wie wichtig Epigenetik für die Langlebigkeit sein kann.
Was genau ist für diese dramatischen Unterschiede
verantwortlich?
Dazu fällt mir der Satz "Du bist, was du isst" ein. Sowohl Königin- als auch Arbeiterbienenlarven werden zunächst mit Gelée royale gefüttert, das von Ammenbienen bereitgestellt wird. Die Arbeiterbienenlarven werden jedoch schnell entwöhnt und mit Nektar und Pollen gefüttert. Im krassen Gegensatz dazu werden die Bienenköniginnen während der gesamten Larvenentwicklung in Gelée royale gebadet und selbst als Erwachsene ernähren sie sich weiterhin mit Gelée royale. Während Form und Funktion durch epigenetische Phänomene beim Menschen eindeutig nicht so streng bestimmt werden wie bei Honigbienen, erkennen Forscher zunehmend eine Rolle der Epigenetik für das Wachstum, die Entwicklung und die Krankheit des Menschen. Insbesondere das biologische Zellalter kann hier als epigenetisch ermittelter Marker der Zellgesundheit dienen und auch zum Monitoring von Therapien verwendet werden, wie etwa personalisierte Empfehlungen für Ernährungs- und Gesundheitsprodukte. So können Therapien maßgeschneidert und bedarfsgerecht zusammengestellt werden. Ein solches Vorgehen ermöglicht zum ersten Mal, die Entwicklung seiner (Zell)Gesundheit zu verfolgen und den Lebensstil gezielt zu verbessern.
Kann man von der Epigenetik wiederum auf die Genetik
Einfluss nehmen?
Ich gebe Ihnen hier ein weiteres Beispiel zur Verdeutlichung, damit man die unglaubliche Tragweite der Epigenetik besser versteht: Kinder, die im holländischen Hungerwinter von 1944/45 geboren sind, neigen als Erwachsene zum Übergewicht. Einwohner eines nordschwedischen Dorfes lebten länger, wenn ihre Großväter in der Jugend wenig zu Essen hatten. Eine logische Schlussfolgerung: Die Umwelt der Großväter und Eltern beeinflusst die Gesundheit der Kinder und Enkel. Wie erklärt man das? Sicher nicht durch das klassische Gen-Modell: Gene werden schrittweise durch die Evolution geformt und brauchen daher mehr als ein oder zwei Generationen, um auf eine Änderung der Umwelt zu reagieren. Trotzdem können Umwelt-Reize sofort in das Erbgut eingreifen – durch die chemische Veränderung von DNA oder von Proteinen, die an der DNA haften. Die Abfolge der DNA-Bausteine wird dabei nicht verändert, der Bauplan für Proteine und Enzyme bleibt der gleiche. Stattdessen ändert sich die Aktivität der Gene: Sie wird erhöht oder erniedrigt, und in manchen Fällen werden die Gene sogar komplett an- oder abgeschaltet. Man kann sich hier das Genom als Helix vorstellen und die Epigenetikmuster, als Wäscheklammern, die auf dem Genom sitzen. Und nun kommt die körpereigene Maschine, die die Gene abliest, in Form eines Proteins, und dann sitzt da diese Wäscheklammer im Weg und die Maschine kann an dieser Stelle nicht ablesen. Diese Stoppschilder, wie ich sie nenne, die werden wieder vererblich zum Teil. Wenn also Menschen positive Akzente in der Epigenetik setzen oder eben auch negative, geht das gegebenenfalls auf die Kinder über. Man kann nun sagen, wenn ich brav bin und ein gutes Leben führe, könnte ich einen Benefit für meine Nachkommen erzeugen.
Das wirft uns alle in eine viel größere Verantwortung unseren Kindern gegenüber, wenn Erbgut plötzlich beeinflussbar wird. Wird man hier künftig über Schuld diskutieren müssen?
Ein Fötus ist nicht völlig isoliert, wenn er sich im Bauch der Mutter entwickelt: Jeder Umweltreiz, der auf die Mutter wirkt, wirkt auch auf den Fötus. Man muss also genau unterscheiden – zwischen epigenetischer Vererbung (Übertragung von Mutter auf Kind) und generationsübergreifenden epigenetischen Effekten (Prägung des Fötus im Mutterleib). Diese Unterscheidung ist beim Menschen besonders schwierig: So gibt es bislang keine Studien, die eindeutig eine Vererbung bis in die dritte Generation nachweisen. Und selbst wenn, fiele der Nachweis eines epigenetischen Einflusses schwer: Tiere kann man kontrolliert kreuzen und manipulieren, beim Menschen ist das unmöglich. Man kann also eine Studie am Menschen nicht so durchführen, dass eine sichere Unterscheidung zwischen epigenetischer Vererbung und epigenetischen Effekten möglich ist. Daher ist eine Schuldfrage sicherlich zu kurz gegriffen. Was allerdings feststeht ist, dass epigenetische Prägung unserer DNA größte Tragweite hat und wir deshalb sehr gut auf unsere Zellgesundheit aufpassen sollten!
Wie bekommt man den Zugang zu den Infos der Epigenetik?
Hier komme ich als Langlebigkeitsmediziner wieder ins Spiel. Ich mache dann erst einmal die epigenetische Altersprüfung mit den Patienten, diese wird in ein Speziallabor in Kanada eingeschickt, das bislang nur Fakultäten zu Forschungszwecken zur Verfügung stand. Der unkomplizierte Speicheltest kostet samt Auswertung circa 450 Euro, also nicht die Welt. Den Zugang zu diesem Labor habe ich ermöglicht. Hier stellen wir das Zellenalter fest und den Zustand der Zelle. Das biologische Alter kann vom chronologischen Alter durchaus ganz schön differieren. Je nachdem, ob das biologisches Alter über oder unter dem chronologischen Alter liegt, können der Lebensstil bewertet und bei Bedarf Konsequenzen für Veränderungen gezogen werden. Mit einem Folgetest können die Effekte der Bemühungen und die Auswirkungen auf den Alterungsprozess überprüft werden. So bietet die epigenetische Altersdiagnostik gleichzeitig einen Impuls zur Veränderung und der positiven Rückkopplung. Das biologische Alter ist ein genauerer Parameter für unsere Gesundheit, unser Wohlbefinden und unsere Lebensdauer als unser chronologisches Alter (das Alter im Pass). Änderungen in unserem Lebensstil (Ernährung, Bewegung, Schlafqualität und vieles mehr) sowie gezielte pharmakologische Interventionen können unser biologisches Altern verlangsamen oder sogar umkehren. Eine Absenkung des biologischen Alters um bis zu 20 Jahre ist durchaus möglich. Das ganz große Delta ist natürlich nur möglich, wenn diese Menschen schon etwas älter sind. Bei jüngeren Menschen ist das in dieser Form nicht möglich. Ich kann jemanden der 40 ist nicht auf 20 Jahre zurückholen.
Warum nicht?
Die Zelle ist ja bis zum 25. Lebensjahr relativ optimal beschaffen. Erst dann fangen die drei essentiellen Zellkompetenzen Erneuerung, Energieproduktion und Entgiftung langsam an zu entgleisen. Ich selbst führe ja auch ein sehr gestresstes Leben, mit Standorten in Wien, Linz und München. Komme kaum zum Sport und so weiter. Aber ich habe natürlich andere Möglichkeiten.
Wie senken Sie das Alter?
Mit einem ausgeklügelten Nahrungsergänzungsregime oder verschreibungspflichtigen Medikamenten, mit denen ich mich auch selbst auf 25.6 Jahre heruntergebracht habe. Kein großer Fan bin ich von hormoneller Intervention. Ich dringe ungern in den Hormonregelkreis ein, wenn es nicht unbedingt sein muss und ein großer Leidensdruck herrscht. Ich habe ein anderes System und andere Konzepte. Ich versuche hier einen individuellen gangbaren Weg zu entwerfen, der auch umsetzbar ist. Wenn jemand oft abends essen gehen muss, kann ich dem nicht das Abendessen wegnehmen, beispielsweise.
Wenn ich jetzt dadurch 20 Jahre jünger werde,
lebe ich dann 20 Jahre länger?
Statistik und Einzelfall liegen ja manchmal meilenweit auseinander, das wissen Sie. Aber statistisch gesehen ist es so, wenn man ungefähr acht Jahre abweicht von seinem Alter, biologisch, chronologisch, dann zeigt sich das schon in einer Halbierung, beziehungsweise Verdoppelung der Erkrankungshäufigkeit, denn man hat schon ein höheres Risiko kränker zu werden, mit zunehmendem Alter. Man hat also schon einen gravierenden Benefit, wenn man hier eingreift. Ich habe sehr viele sehr bekannte Menschen, die zu mir kommen, auch Manager von Milliardenkonzernen, bei denen ich das biologische Alter deutlich senken konnte. Wichtig ist aber auch: Sie fühlen sich ganz anders dadurch und deutlich besser. Das Energieniveau ist dann ein anderes. Es findet ein sofortiger Performancezuwachs statt. Der größte Benefit entsteht aber vor allem hinten raus im Leben – man wird länger gesund leben.
Kann man dadurch auch einen ausladenden Lebensstil auffangen?
Man kann definitiv etwas verbessern. Wenn man natürlich dauernd gegen den Wind segelt ist es auch anstrengend und schwieriger, ein tolles Ergebnis zu erreichen. Aber bevor man gar nichts macht, ist ein bisschen was immer besser. Wie gesagt, das was zu tun ist muss umsetzbar sein. Man muss die Menschen ins Boot holen. Aber wenn man sich dann einloggt, in ein System, muss man die Maßnahmen, die im Vorfeld gut besprochen und festgelegt wurden, auch durchhalten!
Sie sagen, Sie halten nichts von Hormongaben. Weshalb?
Ich schaue mir lieber die Signale in der Zelle an. Zellplasma und Zellkern. 2013 habe ich einen sogenannten „Signalweg“ als besonders wichtig identifiziert. Als den großmächtigen Schalter, der in der Folge ganze Lawinen an Effekten ins Rollen bringt. Bis zu 300 Gene werden da aktiviert. Eine Riesen Sache. Ich habe selbst den Signalweg nicht entdeckt, ich habe nur entdeckt, wie er sich in der Haut und in unseren Weichteilen betätigt. Die Entdecker des Signalweges haben vor kurzem den Nobelpreis dafür erhalten. (William G. Kaelin, Sir Peter Ratcliffe und Gregg L. Semenza haben für ihre Entdeckung des HIF (hypoxia-inducible factor) Signalweges 2019 den Nobelpreis für Medizin gewonnen).
Ich bin also schon der Anwender dieses Signalweges, der Mediziner der nächsten Generation. Ich habe mir immer schon angesehen, wie intrazellulär die Weichen gestellt werden. Ein Schlüsselthema, das mich seit Stanford begleitet. In meiner Zeit an der TU München konnte ich dann nachweisen, dass wenn man diesen Signalweg einer diabetischen Stammzelle optimiert, man wieder eine normale Zelle daraus machen kann. Auch habe ich mittels meiner Firma Tomorrowlabs entdeckt, dass die Haarfollikelzellen positiv auf diesen Signalweg ansprechen und so Haarausfall minimiert werden kann und das Haar generell zum Erstarken gebracht werden kann. Ich habe, untermauert durch eine Studie nachweisen können, dass wenn man den molekularen Schalter aufdreht, Haarwachstum wieder zunimmt. Man kann so im Schnitt den Haarverlust tatsächlich aufhalten. Diese Erkenntnis haben wir in den Tomorrowlabs Hair Restoration Produkten umgesetzt.
Sie erwähnten die diabetische Zelle. Der Signalweg gilt also auch für alle anderen Erkrankungen?
Ja, der hat natürlich viele weitere Implikationen. Wir haben ihn im kosmetischen Bereich erforscht, ich bin schließlich plastischer Chirurg. Aber er ist tatsächlich der Meisterschalter der Regeneration. Er ist auch der Sauerstoffsensor – die Zelle kann durch ihn schauen, wie der Sauerstoffversorgungsgrad ist. Und wenn die Zelle unter Stress gerät oder belastet wird, schaltet sie ebenfalls den Signalweg ein. Dieses Wissen wird nun auch in der Krebsbehandlung verwendet, um die Zelle neu zu orientieren. Eine Sensation ist, eine tolle Entdeckung: Ich habe kürzlich in einer sehr hochstehenden medizinischen Fachpublikation gelesen, dass wenn man den Signalweg aufdreht, Covidviren nicht in die Zellen eindringen können. Die Zellen können sich also dann gegen Viruseindringlinge schützen. Eigentlich völlig logisch, wenn die Regeneration aufgedreht wird, kann nicht gleichzeitig Verfall stattfinden.
Gibt es einen Point of No Return, an dem man nichts mehr
machen kann, nicht mehr eingreifen und etwas verbessern kann?
Ich glaube, man kann immer optimieren, bis zum bitteren Ende. Wichtig in der Langlebigkeitsmedizin ist ja nicht, dass wir jetzt alle 300 Jahre alt werden, sondern dass wir möglichst alt werden und dabei möglichst gesund bleiben. Dass wir den Health Span hinauffahren und nicht nur den Life Span. Wenn wir 100 werden und 30 Jahre davon im Bett liegen, ist das auch nicht erstrebenswert. Irgendwann kommt das Lebensende, aber diese Zeitspanne der Krankheitsphase am Schluss muss komprimiert sein. Ideal wäre, man schläft ein und wacht nicht mehr auf. Das schafft natürlich nicht jeder. Aber wir streben eine möglichst kurze Krankheitsphase zum Lebensende an. Also alles hinausschieben, bis es nicht mehr geht und dann ein schneller Abschied. Das ist Langlebigkeitsmedizin.
Das kann man tatsächlich erreichen?
Ich bin der Ansicht, das kann man erreichen. Allerdings nur durch Konsequenz und unter ärztlicher Aufsicht. Aber dann geht vieles.
Wie lange dauert denn eine Verbesserung?
Mit dem richtigen Regime entlang der Langlebigkeitspyramide Lifestyle, Nahrungsergänzung und Medikation kann sich bereits nach 3 Monaten messbare zelluläre Verjüngung einstellen. Sie sehen: viele Faktoren haben profunde Auswirkungen auf die Zellkompetenz, was wiederum direkt unsere Langlebigkeit beeinflussen kann. Das komplexe System Zelle-Organ-Organismus ist voller Wunder. Und obwohl manche Einflussfaktoren Gefahren für unsere Gesundheit darstellen, gibt es genauso Chancen der Optimierung durch gezielte Maßnahmen, die wir selbst in der Hand haben.
Wie sieht es denn in Sachen Burnout aus, gibt es hier
Möglichkeiten einzugreifen?
Langlebigkeitsmedizin ist ultrapersonalisierte Präzisionsmedizin, beziehungsweise Hightech Vorsorgemedizin. Wenn eine Krankheit schon besteht, dann braucht es zusätzlich noch andere Ansätze, um hier erfolgreich einzuwirken. Besser ist, das Burnout gar nicht erst entstehen zu lassen. Dieses kommt ja nicht über Nacht. Es ist ein Entwicklungsprozess dorthin. Dieser muss erkannt werden und dann kann man ihn durchaus vermeiden.
Es gibt auch andere Medizinformen, was halten Sie persönlich von TCM oder auch Homöopathie?
Es gibt für mich keine Alternativmedizin, es gibt nur Medizin oder Nicht-Medizin. Medizin ist für mich etwas, was auch Beweislast und Wissenschaft aushält. Alles andere ist Lifestyle und Wellness. Diese Formen sind jedoch für mich nicht gleich wertlos und so völlig in Ordnung. Medizin speist sich aus der Wissenschaft aber alles andere kann auch helfen, absolut, es kann einem besser gehen. Es kann alles nebeneinander perfekt existieren, auch in meinem Universum. Und auch als echter Universitätsmediziner kann ich etwas pro Heilpraktiker sagen: Deren Herangehensweise, den Menschen immer als Ganzes zu sehen und zu behandeln, halte ich für extrem klug.
Was denken Sie, wie lange es noch dauert, bis sich die Langlebigkeitsmedizin als grundsätzlich völlig neue medizinische Herangehensweise für alle Bereiche etablieren wird?
Es muss hier grundlegend umgedacht werden, das ist richtig. Das Altern sollte nicht mehr als gottgegeben hingenommen werden. Wichtig ist die Trennung zu den durchaus positiven Aspekten Erfahrung und Weisheit, die mit dem Altern einhergehen. Ich persönlich finde die Zellalterung nicht schön. Denn was soll gut sein, an einem Funktionsverlust der Zelle? Zellalter ist für mich also nichts Gutes, sondern vielmehr ein medizinisch behandlungswürdiger Zustand. Ideal wäre also: Weisheit mit immer noch gesunden Zellen! Hier ist demnach Umdenken gefragt: Altern ist eine Krankheit und daher behandlungswürdig. Wir als Ärzte haben bislang immer nur Symptome des Alterns behandelt. Aber wir müssen schon den darunterliegenden Mechanismus behandeln, der zu den Symptomen führt. Wenn wir das Altern angehen, werden wir sofort einen Benefit verzeichnen können, zum Beispiel kardiovaskulär, neurologisch oder im Krebsgeschehen. Und tatsächlich ist das Altern jetzt im internationalen Katalog der Krankheiten als Krankheit angeführt. Insofern ist es jetzt seit circa einem Jahr kodiert und wird auch als Befund, als Diagnose akzeptiert. Damit sind auch weitere Ausschreibungen für Forschungsprogramme und damit verbundene Gelder möglich.
Inzwischen gelten Sie nun als Papst der Langlebigkeitsmedizin.
Der Weg zur Langlebigkeitsmedizin ist für mich Zug um Zug entstanden. Ursprünglich war ich ja zunächst Stammzell-Biologe. Wenn man sich dann aber dafür interessiert, warum eine Stammzelle irgendwann nicht mehr gut funktioniert, dann muss man sich als lösungsorientierter Mensch, der ich nunmal bin, fragen, was man tun kann, damit sie wieder besser funktioniert. Und plötzlich befindet man sich in einem Gedankenspiel, in dem man vom minizellulären Baustein zum ganz Großen kommt.
Was kostet denn nun eine Behandlung beim Papst der Langlebigkeitsmedizin?
Ich habe einen Ansatz, der ist ungewöhnlich: Ich rechne nach Zeit ab und nicht nach Anwendung. Ich rechne sozusagen ab, wie ein Anwalt. Denn meine Tätigkeit kann ich sonst gar nicht abbilden. Ich habe also den gleichen Stundensatz von 500 Euro, ob ich nun einen Patienten behandle, Vorträge halte oder ein Beratungsmandat bearbeite. Jeder Mensch hat eine andere Situation, die Langlebigleitsmedizin ist aber eine ultrapersonalisierte Präzisionsmedizin. Wenn also jemand ein ausgesprochenes Feintuning will, wird er mehr aufwenden müssen als jemand, der nur seinen Status Quo erfahren möchte. Die Vorgehensweise ist meist so, dass ich zunächst den epigenetischen Test mache, der 450 Euro kostet und die Auswertung derzeit noch 6-8 Wochen dauert. Aber selbst dieser ist natürlich freiwillig, ich kann auch ohne den Test behandeln, wobei man sagen muss, dass es dann natürlich wieder eine eher ungenaue Geschichte wird, bei der man nicht genau wissen kann, wo man eigentlich steht. Wenn man mit einem kleinen Anliegen zu mir kommt, kann das schon in kurzer Arbeitszeit geklärt sein. Grundsätzlich gilt aber, dass man mit circa 1.000 Euro schon rechnen muss, die auch keine Kasse übernimmt.
So eine Summe ist natürlich nicht für eine breite Masse geeignet. Soll die Langlebigkeitsmedizin aber auch irgendwann in die Breite gehen und für jedermann zugänglich sein? Ist das in Planung?
Das ist absolut in Planung! Ich selbst habe ja viele Engagements und Beratungstätigkeiten. Hinzu kommen meine eigenen Produkte bei meiner Firma „Tomorrowlabs“. Ich kann also nicht den ganzen Tag Patienten behandeln. Leider. Denn das macht mir ja sehr viel Spaß. Aber ich bin im Austausch mit einer großen Klinik-Kette, die den Gedanken schon aufgenommen hat, um das für normale Kassenpatienten anbieten zu können und denen ich nun bei der Umsetzung und Anwendung helfen soll. Es ist völlig richtig, es muss in die Breite und in die Masse gehen. Es muss personalisierte Nahrungsergänzungsmittel geben, die ich vielleicht sogar per App beziehen kann. Hier ist also noch viel zu entwickeln, auch wenn die Konzepte bereits alle in meinem Kopf sind. Denn die Langlebigkeitsmedizin wird immer mehr zu einer riesengroßen Sache anwachsen. Ich rechne mit einer gesellschaftlichen Bewegung in der Größenordnung des Fitness-Trends in den 80ern.
Sie sind also mehr als eingebunden, wann empfinden Sie denn Leichtigkeit? Und sind Sie ein humorvoller Mensch?
Leichtigkeit – das ist, wenn ich mit meiner Tochter Zeit verbringe und mit ihr spiele. Da lerne ich immer wieder, wie bedeutend auch Kleinigkeiten sind. Wenn sie eine Blume findet, ist das für sie eine ganz große Sache und wenn ich die dann geschenkt bekomme, ist das für mich eine ganz große Sache. Wenn ich mit meiner Tochter zusammen bin, findet ein ganz anderes Leben statt. Denn ich muss sagen: Ich habe keine Hobbys. Für mich sind die Arbeit und die kreative Umsetzung meiner Ideen der größte Spaß.
Und ja – ich glaube, ich bin wirklich ein humorvoller Mensch. Ich nehme mich selbst nicht zu ernst und auch das Altern nicht. Es hilft ungemein, wenn man, auch bei der Arbeit, nicht zu verbissen ist. Und eine gute Stimmung ist alles, auch wenn es um die Zelle geht. Denn es ist ja alles eins, in unserem Organismus.
Autorin, Interview und Fotos: Elke Bauer