Der Mann im Mars: Elon Musk

Der Mann im Mars: Elon Musk

Es ist so ungemein ärgerlich. Geradezu erbärmlich. Weil man es ja schon seit mehreren Jahren wusste. Und hätte man auch mal auf sein Bauchgefühl gehört, und wäre nicht dies und das dazwischengekommen, hätte man die Tesla-Aktien auch nicht vorschnell wieder verkauft. Natürlich war ein Verkauf auch vor ein, zwei Jahren bereits gewinnbringend. Aber das, was jetzt passiert ist, hat das Genie Elon Musk sowieso schon vorausgesehen. Für ihn alles sonnenklar. Doch erst einmal von vorne. Erst einmal tief durchatmen.

Wenn man im Frühjahr 2019 Aktien von Tesla für 200 Dollar gekauft hat, hat sich das eingesetzte Kapital aktuell einfach mal verzehnfacht. Obwohl sich beim Börsencrash am 19. Februar 2020 der Preis der Tesla Aktien kurzzeitig um rund 39 Prozent verringert hatte. Doch die Börse gleicht zuweilen einem Sprint – wer nachhaltig an der Spitze stehen möchte, muss auch die Qualitäten eines Marathonläufers haben. Das hat Elon Musk mit Tesla bewiesen und ist bekanntlich im August erstmals über die Marke von 2.000 Dollar gesprungen.

Unsere erste Begegnung mit einem Tesla: 2017. Zwar wurde Tesla bereits 2003 in Palo Alto, Californien, im Herzen von Silicon Valley gegründet, war damals aber noch eher eine dieser Garagenerfindungen, bei der sich eine Gruppe junger Ingenieure ans Werk gemacht hatte, um zu beweisen, dass man mit fortschrittlicher Akku-Technologie auch ein Automobil antreiben kann, und zwar mit einem speziellen elektrischen Antriebsstrang. Mildes Lächeln – ein Ding der Unmöglichkeit – so die Kritiker damals. Dann steckten besagte jugendliche Ingenieure ihren elektrischen Antriebsstrang in einen attraktiven, tiefliegenden und ultraleichten Zweisitzer-Sportwagen aus Kohlefaser und machten damit nicht nur deutlich, dass Elektroautos nicht unansehnlich und langweilig sein müssen, sondern dass sie schneller sein und mehr Fahrspaß bieten können als benzinbetriebene Autos. Null Emission, überzeugendes Design. Und dann fuhr dieser mit einer Akku-Ladung auch noch erstaunliche 340 Kilometer weit. Dennoch – immer noch keine Konkurrenz für die großen Automobilhersteller dieser Welt. 2004 kam Elon Musk an Bord – Musk rein, Ingenieure raus – zu unterschiedlich waren visionäres Denken und Haltung. 2008 enthüllte Tesla mit dem Roadster dann wegweisende Akku- und Elektroantriebstechnologien. Und schon war auch die Grundlage für die weltweit erste Premium-Limousine mit reinem Elektroantrieb gelegt: Teslas Model S feierte 2012 die Premiere in den USA. Die größte Reichweite unter Elektrofahrzeugen und eine rekordverdächtige Beschleunigung von 0 auf 60 Meilen pro Stunde in 2,28 Sek. 2015 erweiterte Tesla die Modellpalette mit dem Model X, dem SUV mit der schnellsten Beschleunigung und höchsten Sicherheitsbewertung in der SUV-Geschichte. "Von Sinnen" heißt unser Lieblingsbutton, der Modus, der mit 700 PS den 2,4 Tonner in 2,8 Sekunden von 0 auf 100 schießt. Raketenstart. Das Gehirn kann gar nicht so schnell denken, geschweige denn ein Körper reagieren. Auch der Anblick des "Falken" erfüllt sofort mit Freude. Ein wahrlich schönes, ebenmäßiges Aussehen, die Türgriffe in die Fahrzeugtür versenkt, um sich per Knopfdruck öffnen zu lassen, vorne sehr niedrige Schnauze, hinten relativ hohes und massives Heck mit Spoiler, weiche Kurven. Atemberaubend die "Falcon Wings". Das braucht ein Raubvogel eben. Mit Sensoren ausgestattet, damit sie in der Garage auch keinen Ärger machen. Der Innenraum sagenhaft geräumig mit Platz für bis zu sieben Personen, Kofferraum mit 150 Litern vorne und 745 Litern hinten, ein Lenkrad und ein Steuerungspad, das die bislang gewohnte Mittelkonsole ersetzt, getöntes Panoramadach, mit dem man sich drinnen wie draußen fühlt. 100 KWh, Reichweite 507 Kilometer, Auftanken geht per Steckdose in acht Stunden zuhause, sofern man hier für eine passende Steckdose gesorgt hat, an Tankstellen in 0,5-1,5 Stunden am Supercharger, der aber nicht unbedingt gleich um's Eck liegt. Nach wie vor also gelegentlich schwierig, was sich aber weiterhin bessern soll.

Im Zuge des "geheimen Masterplans" von CEO Elon Musk stellte Tesla 2016 dann das Model 3 vor - eine kostengünstige Elektrolimousine für den Massenmarkt, die 2017 in Produktion ging. Kurz danach enthüllte Tesla den Sattelschlepper Tesla Semi. Er soll auf Basis der entfallenden Kraftstoffkosten pro Million Meilen Laufleistung mindestens 200.000 US Dollar an Betriebskosten einsparen. 2019 stellte Tesla das Model Y vor, ein mittelgroßes Kompakt SUV, das bis zu sieben Personen Platz bietet. Dazu gesellte sich der spacige Cybertruck, der mit seinen Leistungen vermutlich viele Sportwagen in den Schatten stellen wird.

Aber was macht Elon Musk so erfolgreich?

Es ist vor allem sein "First principles Denken", das er auf alles anwendet. Das betrifft Raketen und Elektroautos gleichermaßen. Er ist nicht interessiert an Lösungsansätzen, an denen andere bereits vor ihm gescheitert sind. Vielmehr zerlegt er alles in Grundbausteine und hinterfragt diese. Für ihn war die grundlegende Frage, wie man ausreichend Energie über eine Batterie in ein Elektroauto speisen kann. Die Batterie hat sich demnach als das größte Problem herausgestellt. Seine Lösung: Man muss sich mit den Besten zusammentun, in diesem Fall mit Panasonic in Nevada. Er errichtete zunächst gemeinsam mit Panasonic die Gigafactory und hielt kurzzeitig die größten Anteile am Batterieweltmarkt. Durch die Batteriezellenproduktion im eigenen Haus kann Tesla die Batterien in den Stückzahlen herstellen, die zum Erreichen der Produktionsziele erforderlich sind, und hat dabei ganz en passant tausende von Arbeitsstellen geschaffen. Gleichzeitig hat Tesla eine wegweisende Baureihe von Energielösungen ins Leben gerufen, um die Umstellung auf erneuerbare, umweltfreundliche Energien voranzutreiben: Mit den Powerwall- und Powerpack-Stromspeichern sowie Solar Roof-Solarkollektoren können private wie gewerbliche Betreiber Solarstrom erzeugen, speichern und zeitunabhängig nutzen.

Auch die Corona-Krise hat Tesla trotz temporärer Werksschließungen in die Karten gepielt, denn sie beeinflusste die Haltung der Verbraucher gegenüber der Elektromobilität. Insbesondere die wahrgenommene Luftverbesserung im Zuge der Lockdowns verstärkte das Interesse. Der Anteil derjenigen, die überlegen, sich in den nächsten fünf Jahren ein E-Auto zu kaufen, kletterte schnell mal auf 60 Prozent. Auch in Deutschland steigt die E-Auto-Nachfrage: Nie wurden so viele Elektrofahrzeuge angemeldet als im Februar und März diesen Jahres. Noch nie verkaufte Tesla im ersten Quartal eines Jahres mehr Fahrzeuge, als 2020. Gegenüber dem Vorjahresquartal beträgt der Anstieg 40,3 Prozent. Mit 88.400 verkauften Fahrzeugen setzte Tesla somit in nur drei Monaten mehr Elektrofahrzeuge ab als Volkswagen im Gesamtjahr 2019, was nicht zuletzt dem Model 3 geschuldet ist, denn davon brachte Tesla 2019 sage und schreibe 300.075 Exemplare auf die Straße. Mit Abstand das meistverkaufte Elektroauto. Erst auf dem sechsten Platz rangiert ein deutscher Automobil-Konzern: BMW verkaufte im vergangenen Jahr 51.083 Fahrzeuge des Modells 530/Le.

Dass ein Elon Musk es in seinem Leben einmal schwer hatte, ist heute kaum vorstellbar. So ist er zwar in Südafrika aufgewachsen, wusste aber damals schon, dass es für ihn dort ungleich schwer würde, etwas zu bewegen. Insofern ging es für ihn zunächst nach Kanada, hauptsächlich um dem südafrikanischen Wehrdienst zu entgehen und dann nach USA, um seine Begeisterung für technische und wissenschaftliche Themen an den dortigen Universitäten auszuleben. Bereits während des Studiums hatte er sich überlegt, was die großen Themen der Menschheit im nächsten Jahrhundert sein würden. Eine Mondlandung war zugegebenermaßen eine coole Angelegenheit gewesen, aber der Visionär fragte sich, was jetzt noch kommen müsse, wann das endlich käme und warum eigentlich der Mars nicht in der Pipeline war. Ganz klar war für ihn hingegen, dass die Elektrifizierung gefördert werden muss, um von den fossilen Energieträgern wegzukommen, da sie Kriege und Monopole erzeugen. Sicher war für ihn immer, dass die Elektro-Mobilität sich auf lange Sicht sowieso durchsetzen wird. Für ihn gab und gibt es keinen anderen ökonomischen Weg.

Aber in Sachen Raketen war noch etwas zu tun. Hier war nämlich seit den Mondmissionen nichts mehr weiter geschehen. Er fragte sich also als echter, nicht staatlicher finanzierter Unternehmer, wie man das Thema so gestalten kann, dass es profitabel wird. Es musste demzufolge eine Technik her, anhand derer man Raketen wiederverwenden konnte, um nicht jedes Mal zuschauen zu müssen, wie zig Millionen Dollar in der Luft explodieren. Diese bahnbrechende, weltweit neue Entwicklung machte ihn im Ergebnis kostengünstiger als alle anderen Mitbewerber und einer Zusammenarbeit, unter anderem mit der NASA, stand nichts mehr im Wege. 

Seine Firma SpaceX hat dieses Jahr das erste Mal Astronauten mit "wiederverwendbaren" Raketen zu anderen Weltraumstationen gebracht. Raketen, die auch wieder landen können. Sein Ziel, eine erste Station auf dem Mars zu errichten, die mehrere Male mit derseben Rakete angeflogen werden kann, um Tonnen von Material dorthin bringen zu können, ist nun realisierbar. Elon Musk meint dazu: „Man möchte doch morgens aufwachen und denken, dass uns eine großartige Zukunft erwartet. Und genau darum geht es bei einer Zivilisation im Weltall. Ich kann mir nichts Aufregenderes vorstellen als dort hinzugehen und ein Teil der Sterne zu werden."

Wenn man genau hinschaut, wird klar, dass alle seine Unternehmungen aufeinander aufbauen, um sein großes Ziel, den Mars bewohnbar zu machen, zu erreichen. Elon Musk macht nichts, was weniger ist, als das Fortbestehen der menschlichen Rasse zu sichern. Eigentlich auf jedem nur irgendwie bewohnbaren Planeten unseres Universums. Und da gilt der Mars nunmal als der nächstliegende. Begonnen hat die große Ambition bereits in den Neunzigern, damals  gemeinsam mit seinem Bruder. Sie digitalisierten im Entferntesten so etwas wie die Gelben Seiten, Name ZIP2, und verkauften das System sehr profitabel. Mit dem Erlös machte er dasselbe mit dem Bankwesen, das seiner Meinung nach auch digitalisiert werden musste, weil es noch sehr kompliziert analog verhaftet war. Eine zentrale Weltbank war sein Ziel. Elon Musk gründete also X.com, das anschließend durch einen Zusammenschluss zu Paypal wurde, holte immer mehr Investoren an Bord, wie auch einen Peter Thiel, bis Paypal schließlich an Ebay verkauft wurde. Er strich dafür rund 180 Millionen Dollar ein. Das Geld steckte er zur Hälfte in Tesla und die andere Hälfte in SpaceX. Tesla war also immer schon dazu gedacht, um SpaceX zu finanzieren. Bis nächstes Jahr will er eine Millionen Autos bauen, was ihm wahrscheinlich auch gelingen wird.

Im letzten Jahr war Tesla erstmals profitabel. Das war immer der größte Vorwurf, dass sich die Firma nicht rechnet. Aber jetzt ist der Startschuss für die Großinvestoren gefallen. Schließlich ist Tesla in vielerlei Hinsicht etwas Besonderes. Als einziger Hersteller gibt die Firma zum Beispiel die Möglichkeit, sich Updates über das Internet runterzuladen. Das heißt, man kann sogar eine Leistungssteigerung per Klick aktivieren. Darüber hinaus sind die Fahrzeuge bereits für das autonome Fahren ausgestattet. Diesen Vorsprung können andere Fahrzeughersteller kaum mehr aufholen. Batterien, Motoren, die gesamte Fertigungskette bis hin zu Computerchips werden unter einem Dach gefertigt. Alles wird durch Tesla selbst kontrolliert. Und genau das spiegelt sich im Aktiengeschehen wider. Dieses Technikmonopol ist nicht mehr aufhaltbar. Jetzt hat er beschlossen, die Aktien zu splitten, damit es für Kleinanleger auch weiterhin interessant bleibt.

Warum ein Elon Musk manchmal auf dem Fabrikboden schläft und quasi rund um die Uhr arbeitet, ist auch schnell erklärt: das ganze Unternehmen steht und fällt mit seiner Person, seiner starken Vision und Ambition. Was natürlich nicht ganz unproblematisch für die Anleger ist. Sein Erfolgsgeheimnis ist sein strikt pragmatisches Denken der kleinsten einzelnen Bausteine, die Stein für Stein aufeinandergesetzt werden müssen, für die jeweils ein neuer Lösungsansatz gefunden werden muss. Davon hat er sich trotz aller Anfeindungen nie abbringen lassen. Alles was physisch nicht unmöglich ist, ist für ihn erst einmal machbar. Angst kennt er nicht, selbst im Angesicht schwerer Probleme. Zeitaufwand und Durchhaltevermögen sind Teil seines Lebens und kalkulierbar. Aufgabe ist keine Option, da in seine Vision die ganze Menschheit eingebettet ist. Elon Musk. Eine ganz unkonventionelle Persönlichkeit, mit jeder Menge Publicity, die er auch braucht. Denn eine Marsmission kostet Billionen. Alleine die Anreise dorthin dauert sechs bis neun Monate, eine Rückreise ist aufgrund der Planetenstellungen erst drei Jahre später wieder möglich. Los gehen soll es 2024. Das Genie sollte uns also hoffentlich noch ein wenig erhalten bleiben.

Foto: Sabine Brauer
Text: Elke Bauer

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